Screenreader: nützliches Werkzeug nicht nur bei Sehbehinderungen
Veröffentlicht am 11.12.2024 von DomainFactory
Im täglichen Leben sind immer mehr Informationen nur noch im Web zugänglich. Wer auf Webseiten nicht selbstständig navigieren und ihre Inhalte verstehen kann, der hat nur noch eingeschränkt Zugang zu allem, was heutzutage nützlich und angenehm ist. Ein Problem ist dies vor allem für Menschen mit Sehbehinderungen. Die Lösung: Screenreader, also Apps, die den sonst auf dem Bildschirm angezeigten Text in anderen Formaten wiedergeben, etwa als gesprochene Sprache. Ursprünglich für Sehbehinderte entwickelt, können Screenreader aber auch für andere Zielgruppen interessant sein.
Was ist ein Screenreader?
Die Funktion eines Screenreaders beschränkt sich nicht darauf, Text von einer Webseite in synthetischer Sprache über einen Lautsprecher auszugeben.
Zum einen gibt es noch andere Möglichkeiten der Ausgabe: Sehbehinderte Menschen können beispielsweise eine sogenannte Braille-Zeile als externes Gerät an den Computer anschließen. Diese gibt Text in Braille-Schrift wieder, deren Erhebungen und Vertiefungen Menschen, die Braille gelernt haben, mit den Fingerspitzen wahrnehmen und verstehen können. Die Braille-Zeile wird also über den Tastsinn statt über das Gehör wahrgenommen. Dies ermöglicht es sehbehinderten Menschen beispielsweise, auch in lauter Umgebung die Sprachausgabe zu nutzen oder etwa während des Lesens Musik zu hören, wie normal sehende Personen auch.
Zum anderen arbeiten Screenreader auch interaktiv: Sie lesen nicht nur ab, sondern ermöglichen dem Nutzer auch die sprachgesteuerte Navigation. Sie können beispielsweise Befehle entgegennehmen, mit deren Hilfe der Nutzer im Menü navigieren oder innerhalb der Webseite von einer Überschrift zur nächsten springen kann.
Die wichtigsten Screenreader
Weil Screenreader immer wichtiger für Barrierefreiheit und ein gutes Nutzererlebnis werden, sind sie in allen großen Betriebssystemen bereits in der einen oder anderen Form eingebaut:
- Sprachausgabe in Windows
- VoiceOver in macOS und iOS
- TalkBack in Android
Sprachausgabe
Der in Windows-Betriebssystemen bereits integrierte Screenreader heißt auf deutschen Systemen „Sprachausgabe“, auf englischen „Narrator“. Die Sprachausgabe unterstützt sowohl Audio-Ausgabe von Sprache als auch verschiedene Braille-Zeilen als externes Gerät. Die Stimme der Audio-Ausgabe kann in den Einstellungen angepasst werden.
Der Nutzer kann mit der Windows-Sprachausgabe außerdem auf Webseiten und in Texten navigieren.
Starten und beenden lässt sie sich jeweils mit der Windows-Taste + Strg + Enter, und zudem gibt es zahlreiche weitere Tastatur-Shortcuts für die Steuerung der Audio-Ausgabe und für die Navigation auf Webseiten und in Texten. Mehr Informationen zur Sprachausgabe gibt es auf den Microsoft-Support-Seiten zum Thema.
VoiceOver
VoiceOver ist der in Apple-Geräten vorinstallierte Screenreader, und zwar sowohl in macOS als auch auf mobilen Geräten in iOS. Auch VoiceOver unterstützt sowohl Audio-Ausgabe als auch Braille-Zeilen, und auch bei VoiceOver lassen sich in den Einstellungen die Stimme, die Sprechgeschwindigkeit und andere Parameter an die Bedürfnisse und Vorlieben des Nutzers anpassen.
Aktivieren lässt sich VoiceOver auf Laptops mit der Befehlstaste + F5, alternativ auch durch dreimaliges Drücken der Touch-ID-Taste bei gedrückter Befehlstaste. Auf mobilen Geräten funktioniert die schnelle Aktivierung von VoiceOver durch dreimaliges Drücken der Home-Taste. Auch mittels Siri lässt sich VoiceOver aktivieren.
Wie die Windows-Sprachausgabe gestattet auch VoiceOver die nutzerfreundliche Navigation in Texten und auf Webseiten.
Mehr Informationen zu VoiceOver erhalten Sie im Benutzerhandbuch von VoiceOver.
TalkBack
Auch Android hat einen eingebauten Screenreader. Dieser heißt TalkBack und wird von Google entwickelt. Seine Funktionen und Einstellungen ähneln denen der anderen beiden Screenreader, und auch TalkBack unterstützt Braille-Zeilen. Die schnelle Aktivierung von TalkBack erfolgt durch gleichzeitiges Drücken der Lautstärke-Leiser-Taste und der Ein-/Aus-Taste von Android-Smartphones. Die Einzelheiten der Steuerung von TalkBack durch Gesten auf dem Display variiert etwas, je nach Hersteller des Smartphones. Die Basics zur Bedienung und Einstellung lassen sich aber im Google-Handbuch nachlesen.
Es gibt neben diesen vorinstallierten Screenreadern zahlreiche weitere Screenreader am Markt, die sich nachträglich installieren lassen. Einige sind kommerziell und kostenpflichtig, es gibt aber auch kostenlose Open-Source-Programme. Zwei Beispiele für ebenfalls weit verbreitete Screenreader, einmal kommerziell und einmal Open Source, sind JAWS und NVDA.
JAWS (Job Access With Speech)
JAWS ist nicht in Windows oder andere gängige Betriebssysteme integriert und muss separat erworben und installiert werden. Es handelt sich um eine kommerzielle Software; eine einjährige Lizenz für eine Privatperson (nur in den USA erhältlich) kostet derzeit 95 USD, eine lebenslange Lizenz für eine Privatperson 1100 USD.
JAWS ist nur für PCs verfügbar. Es unterstützt ebenfalls Audio und Braille. Mehr Informationen zu Leistungsumfang und Preisen gibt es auf der Webseite des Herstellers Freedom Scientific.
NVDA (NonVisual Desktop Access)
NVDA ist ebenfalls nicht vorinstalliert, kann aber kostenlos heruntergeladen und installiert werden. Es handelt sich um Open-Source-Software, die von dem gemeinnützigen Unternehmen NV Access entwickelt wird. Auf deren Seiten kann man NVDA auch herunterladen.
Die Braille-Unterstützung von NVDA wurde von der deutschen Firma Help Tech GmbH realisiert, die auch eine deutschsprachige Webseite zu NVDA unterhalten.
So werden Ihre Webseiten gut lesbar für Screenreader
Es gibt also eine große Auswahl an Screenreadern, die sich in ihrer Funktionsweise weitgehend ähneln. Allerdings sind nicht alle Apps und Webseiten für Screenreader gleich gut zu verwerten. Wenn Sie aber einige grundlegende Prinzipien beachten, können Sie Ihre Webseiten mit überschaubarem Aufwand wesentlich besser zugänglich für Screenreader machen.
Schon herkömmliches HTML bietet Ihnen eine Reihe von Möglichkeiten, die Sie im Sinne der Barrierefreiheit ohnehin nutzen sollten: Elemente Ihrer Webseite sollten sprechende Namen tragen, damit sie bei der Navigation sinnvoll genutzt werden können, etwa „Kontaktbutton“ statt „Button1“ oder „Hauptmenu“ statt nur „Menu“.
Nutzen Sie immer auch das alt-Attribut des img-Tags in HTML: Hier wird eine alternative Beschreibung zur Verfügung gestellt, die der Screenreader dem Nutzer vorliest, beispielsweise „Ansicht des Sneakers der Marke xyz von vorn“ oder „Oberbürgermeisterin Schmitz bei der Eröffnung des Stadtfestes“. Ursprünglich wurde dieser Tag einmal eingeführt, um eine textliche Beschreibung eines Bildes auf einer Webseite anzeigen zu können, wenn die Bandbreite der Internetverbindung zu gering war, um Bilder zu übertragen. Für Screenreader ist dieser Tag heutzutage im Sinne der Barrierefreiheit mindestens genauso nützlich geworden.
Sie können auch noch weiter gehen und Ihre Webseite mit der Speech Synthesis Markup Language (SSML) auszeichnen, einer HTML-ähnlichen Markup-Sprache. Mit Hilfe von SSML können Sie die Aussprache der Texte Ihrer Webseite noch weiter korrigieren und optimieren und somit die Verständlichkeit und das Hörerlebnis des Nutzers verbessern.
Titelmotiv: Bild von WOKANDAPIX auf Pixabay